Erfahrungen aus einem Krisengebiet

4. März 2023 | Aktuelles

„Danach wird einem bewusst, wie dankbar wir eigentlich sein müssen.“

Ein Schiff, Tausende von Menschen in Gefahr. Wer eilt den Rettungssuchenden zur Hilfe? Genau eine dieser Helferinnen zu sein wünschte sich bereits im jungen Alter die 33jährige Soldatin Sarah Ruh. Schon mit achtzehn Jahren trat sie 2009 in die Bundeswehr ein und schwor einen Eid, sich für ihr Land einzusetzen. Somit verpflichtete sie sich, Deutschland zu dienen. Heute hat sie den Dienstgrad eines Kapitänleutnants.

Doch was bewegt einen Menschen dazu, ein solches Risiko einzugehen und eventuell ein Krisengebiet
betreten zu müssen? Zur Beantwortung jener und ähnlicher Fragen gibt uns Frau Ruh einen Einblick über ihren Einsatz in der Marine. Genauer berichtet sie über ihre Teilnahme am Einsatz der Operation Sophia, einer Seenotrettung im Mittelmeer aus dem Jahre 2015. Dabei beteiligte sich die Bundeswehr bei der Rettung Schiffbrüchiger sowie bei der Bekämpfung von kriminellen Schleuserbanden, so dass zwischen dem 7. Mai und dem 30. Juni 5.673 Menschen aus Seenot gerettet und sicher an Land gebracht werden konnten. Mit 24 Jahren bereitete sich die abenteuerlustige Sarah Ruh 2015 auf ihren Einsatz vor. Sie war aufgeregt und neugierig darauf, was sie alles erwarten würde, und freute sich, zusammen mit anderen Menschen etwas verändern zu dürfen. Mit ihrer Familie sowie mit Freundinnen und Freunden feierte sie sogar eine Party zum Abschied – mit Vorfreude auf den Dienst -,  noch ohne zu wissen, wie der Einsatz ihr Denken beeinflussen würde. Trotz der positiven Einstellung gab es ein lachendes, aber auch ein weinendes Auge, beschreibt Frau Ruh.

Obwohl es für sie eine gute Entscheidung gewesen sein mag, musste für den Ernstfall eine Vollmacht unterschrieben werden, denn was alles bei einer Operation wie dieser gegebenenfalls geschehen könnte, würde man nicht voraussehen können. Die Verabschiedung fiel Frau Ruh nicht leicht, denn sie hatte trotz der ganzen Aufregung viel Respekt vor dem Einsatz gehabt. Ein Problem war beispielsweise, dass es auf See nur schlechten Funk gab. Die einzige Chance für den Austausch mit der Familie oder Freunden bestand darin, E-Mails zu versenden. Auch dieser Kontakt war auf eine einzige Mail pro Tag zum Versenden und eine zum Empfangen beschränkt. Da dieser Kontakt mit zweihundert Personen geteilt werden musste und fast jeder die Chance auch täglich nutzen wollte, hatte man entsprechend wenig Zeit gehabt, die Textnachricht zu verfassen.

Geheime Dokumente wiederum wurden durch ausgebildete Bedienstete versendet. So genannte Fernmeldeoffiziere wissen nämlich auch ganz genau, wie sie die Dokumente zu verschlüsseln haben. Da es nicht einfach ist, lange Zeit auf einem Schiff zu verbringen, gibt es weitere Funktionen, die die Soldatinnen und Soldaten zu erfüllen haben. Eine von diesen war der Navigationsoffizier, welcher dafür sorgt, dass sicher auf der See gefahren wird. Daneben kümmert sich der Schiffversorgungsoffizier um die Verpflegung der Personen auf dem Schiff und achtet zum Beispiel darauf, dass es genug Öl gibt. Gleichzeitig ist er verantwortlich für die Müllentsorgung. Und da nicht schwer vorauszusagen ist, dass sich auch Waffen auf dem Schiff befinden, gibt es den dafür verantwortlichen Waffenleitoffizier. Doch welche Aufgabe auch immer man auf dem Schiff hat, man lernt immer mehr dazu und ist verantwortlich für die Menschen, äußert sich Frau Ruh. Sie beschreibt ihre Zeit in der Marine als eine „komplett andere Situation“ und teilt uns mit, dass einem erst in diesem Moment bewusst wird, wie wohlhabend wir sind und wie glücklich wir sein können, dass wir nicht in solch einer Armut leben müssen. Sie machte die Erfahrung, mit ansehen zu müssen, dass Menschen nichts besaßen –  teilweise nicht nur materiell, sondern auch familiär. „Danach wird einem bewusst, wie dankbar wir eigentlich sein müssen“ ist ihre heutige Meinung Das war etwas, das sie während ihrer Zeit bei der Marine lernte.

Denkt sie an heutige Konflikte wie zum Beispiel an den Krieg in der Ukraine, ist sie schockiert und traurig zugleich, dass man zusehen muss, wie Menschen bewusst das Leben genommen wird und sie wünscht sich, dass der Krieg bald zu Ende geht und die Ukraine wieder in den Grenzen vor 2014 besteht, also vor der Annexion der Krim.

Seit 2020 bis heute arbeitet Frau Ruh als Jugendoffizierin und hält Schulvorträge, beispielsweise im Verteidigungsministerium. Ihren Beruf empfiehlt sie besonders den Menschen, die überzeugt davon sind, dem Staat dienen zu wollen, so wie sie es selbst damals empfand und bis heute davon begeistert ist. Und auch wenn man sich am Ende für etwas anderes entscheidet, soll man „nicht nur auf sich selber gucken, sich engagieren, nicht wegsehen und sich langfristig damit beschäftigen, wie man wo helfen kann“.

Geschrieben von Tugba Akin (Q1)

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